Wie geht es weiter mit der EU – Teil 1

Die Idee scheint in der Dauerkrise zu sein. Ein Gipfel jagt den nächsten und so wirklich spannend scheint es nicht mehr zu sein. Seit Jahren wird Griechenland gerettet, obwohl das irgendwie gar keiner mehr so richtig will. Portugal und Irland haben hoffentlich das Schlimmste hinter sich und auch in Spanien scheint die Wirtschaft wieder anzuziehen – wenn auch zaghaft.

Aber das ist nicht die einzige Krise mit der sich die EU derzeit konfrontiert sieht. Da haben wir auf der einen Seite den Flüchtlingsstrom, der (so makaber es auch sein mag) zwar nicht neu ist, aber endlich seinen Platz in den Medien gefunden hat und auch endlich tatsächlich etwas passiert. Zumindest wird darüber geredet.

Zum anderen ist dort aber auch die Rückbesinnung auf nationale Werte, wie man es in Großbritannien beobachten kann. Während man dort zumindest an bestehenden Verträgen festhält und das Verhältnis zur EU grundlegend neuordnen möchte (genug Extrawünsche sind wohl schon geäußert), lassen Kandidaten wie beispielsweise Ungarn auch gerne mal den Säbel rasseln. Dort denkt man erst laut über die Todesstrafe nach und dann will man das Dublin 3 Abkommen (Abschiebung von Flüchtlingen in das EU-Land, in dem die Flüchtlinge ursprünglich ankamen) aussetzen. Das der Präsident dann wohl den eher makaberen Vergleich des „vollen Bootes“ bedient, zeigt auch, mit welchem Selbstbewusstsein inzwischen aufgetreten wird. In beiden Fällen wurde zwar letztendlich zurückgerudert, aber erst, als die EU – und hier vor allem Jean-Claude Juncker und Martin Schulz – ebenfalls medienwirksam mit Konsequenzen drohen.

Dagegen erscheint unser Lust-Mautler Dobrindt geradezu handzahm, auch wenn das Muster dasselbe ist. Erst gegen die EU wettern und dann flux den Schwanz einziehen, wenn es ernst wird. Obwohl die Maut laut Herrn Dobrindt absolut EU-konform ist (und man sich nebenbei sowieso jede Einmischung hier verbietet), wird sie nicht umgesetzt, nachdem die Kommission ein Verfahren eingeleitet hat.
Frau Merkel meinte in einer Rede einmal, in Zeiten der Krise brauche man MEHR Europa und nicht weniger.

Aber was bedeutet MEHR Europa überhaupt? Mehr Mitsprache? Und wenn ja, wer? Darf ein deutsches Parlament den Haushalt der Spanier genehmigen? Darf die EU den Iren vorschreiben, an welcher Stelle gespart werden muss? „Klar“ könnte man da sagen. Schließlich müssen wir ja im Worst-case-Scenario auch für die anderen Länder bürgen. Aber kann man dann im Umkehrschluss nicht auch die Schuldenunion fordern? MEHR EUROPA kann ja nicht nur bedeuten, dass ein gesundes Land dem kranken Land sagt, welche Krankheit es hat. MEHR EUROPA bedeutet, dass man dem Land hilft, die Medizin zu kaufen. Und im schlimmsten Fall, für das kranke Land auch noch die Rechnung bezahlt. So handhaben wir das doch auch in unserem Land: der Staat finanziert seinem Volk die Arzt-Rechnung. Das Solidar-Prinzip greift. Und damit sind die meisten zufrieden. Und im Krankheitsfall auch dankbar.

Solidarität innerhalb der EU kann also durchaus bedeuten, dass wir für einander einstehen. Natürlich sollte niemandem der Freifahrtsschein gedruckt werden. Aber vielleicht sollte der Patient erst gesund werden und dann redet man darüber, wie man die Hilfe zurückbekommt. Das wäre Solidarität.

Was bedeutet das also für die EU? Geht es jetzt bergab? Ist dieses Experiment gescheitert? Mitnichten! So gewaltig monströs und undurchsichtig das Konstrukt EU auch sein mag, es hat uns so vieles gebracht und uns das Leben in so vielen Punkten vereinfacht. Wer freut sich nicht, dass er mit dem EURO in Spanien, Italien und Frankreich bezahlen kann und nicht mehr Geld wechseln muss? Und auch der Anruf zu Hause muss nicht mehr auf 10 Sekunden beschränkt sein, weil man sich sonst den Rückflug nicht mehr leisten kann. Das ist nur zwei von vielen Beispielen.

Die EU ist wohl das größte Experiment seit mehr als 50 Jahren und durchaus eine Erfolgsgeschichte. Es läuft nicht alles rund, aber schlecht reden sollte man es auch nicht.

Aber ein bisschen solidarischer sollten wir untereinander schon noch werden.

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