Der nachfolgende Brief ging heute an Herrn Siebenhaar beim Handelsblatt:
Sehr geehrter Herr Siebenhaar,
mit Interesse habe ich mir im Internet das Handelsblatt-Spezial zu ARD und ZDF heruntergeladen. Ich weiß nicht, wer von Ihnen redaktionell die Verantwortung hierzu trug, aber da immerhin 28% des Spezials von Ihnen kommen, richte ich meine Mail daher an Sie.
Um es kurz zu machen: Ich habe selten eine so einseitige Berichterstattung wahrgenommen wie in dieser Zusammenstellung von an sich zusammenhanglosen Beiträgen. Ein roter Faden ist nicht zu erkennen. Einer Zeitung wie dem Handelsblatt habe ich ehrlich gesagt mehr zugetraut.
Ich möchte Ihnen auch gerne sagen, was mich an der Berichterstattung stört. Schon im ersten Beitrag (der direkt von Ihnen kommt) prangern Sie unter anderem an, dass privatwirtschaftliche Produktionsgesellschaften – welche im Verbund mit beispielsweise RTL stehen – für ARD und ZDF Auftragsproduktionen erledigen. In einem anderen Beitrag von Ihnen werfen Sie den Anstalten vor, dass die Moderatoren der Talkshows ihre Sendungen selbst produzieren. Was Sie an dieser Stelle – bewusst oder unbewusst – vergessen, ist die schlichte Tatsache, dass das System einfach mal so funktioniert. Natürlich könnten ARD und ZDF auf große Namen wie Günther Jauch oder Jörg Pilawa verzichten, aber dann versinken die Sender noch tiefer im Quotenkeller. Und dass Sender Produktionsgesellschaften beauftragen, um Sendungen herzustellen, ist ebenfalls nichts Neues.
Dass Ihre Aussagen teilweise widersprüchlich sind, beweisen Sie meiner Meinung nach in Ihrem Beitrag mit dem Titel „In der zweiten Reihe“. Hier monieren Sie, dass ARD und ZDF nicht präsenter in Hollywood einkaufen und somit US-Serien auf den Bildschirm bringen. Dass dies so nicht ganz richtig ist, sollte auch Ihnen bewusst sein. Das ZDF zeigt beispielsweise die mit Emmys geradezu überschüttete Serie MAD MEN bei ZDFneo. Jetzt kann man natürlich fragen, warum die Serie bei neo laufen muss und nicht beim ZDF im Hauptprogramm. Das hat wohl etwas mit dem Profil des Senders zu tun. Bei RTL2 ist man auch nicht auf der Suche nach einem Presseclub oder einer Aufzeichnung von Schwanensee.
Claudia Panster beschwert sich in ihrem Beitrag über die – ihrer Meinung nach – übermäßige Volksmusik in ARD und ZDF. Laut Frau Panster geben 8,5% der Bevölkerung an, ein großes Interesse an Volksmusik zu haben. Und noch weitere 9,9% haben „immerhin noch ein Interesse“. Das sind zusammen 18,4% der Bevölkerung, die sich ein solches Format potentiell ansehen. Würden ARD und ZDF an einem Samstagabend hingegen einen teuer eingekauften Hollywood-Film zeigen und sich damit in direkte Konkurrenz zu den Privaten begeben, wäre auch wieder geschrien worden, dass sich ARD und ZDF a) nicht von Sat.1 oder RTL unterscheiden und b) teuer Filme einkaufen.
Der einzige Beitrag, der meines Erachtens nach qualitativ recherchiert wurde, ist von einem Mitarbeiter mit dem Kürzel „HB“ und berichtet über die Gebührenbelastung der Unternehmen. Und auch der Beitrag von Miriam Schröder über die „Perlen im digitalen Dschungel“ lässt ansatzweise eine unvoreingenommene Berichterstattung erahnen. Wiederum der Artikel direkt danach über Soaps, Castings- und Quizshows ist soweit von seriösem Journalismus entfernt, dass er auch in der BUNTEN stehen könnte.Und schließlich ist da noch Sven Prange, der mit seinem Beitrag „Garanten für Qualität“ die ganze Sache wieder versöhnlich stimmt. Leider ist das zu wenig, um sagen zu können, hier wäre ausgewogener Journalismus am Werk gewesen.
Es ist schade, dass das Handelsblatt zu so viel Populismus greift.
Abschließend möchte ich Sie noch darüber in Kenntnis setzen, dass ich dieses Schreiben als offenen Brief auf meinem Blog www.justcarmen.de veröffentlichen werde. Eine mögliche Stellungnahme von Ihrer Seite werde ich ebenfalls – natürlich nur mit Ihrem Einverständnis – an selbiger Stelle veröffentlichen.
Hans-Peter Siebenhaar hat das Buch „Die Nimmersatten“ veröffentlicht (Eichborn Verlag) und ist Redakteur im Ressort Unternehmen & Märkte mit Schwerpunkt Medien und Telekommunikation beim Handelsblatt
Das Dossier kann hier heruntergeladen werden:
http://www.handelsblatt-shop.com/downloads/die-deutsche-fernseh-ag-p4463.html
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